Leben im Bergstaat
"Das Land die Früchte bringt, im Harz der Thaler klingt"
Die Bergbeamten: privilegiert - kompetent - mächtig
Die Privilegien der "Bergfreiheiten" für die Bergleute wurden durch Rechtsauslegungen und der dem "Direktionsprinzip" zugrunde liegenden hierarchischen Organisation des Lebensalltages immer mehr eingeschränkt. So wurde die Steuerfreiheit 1703 durch die Einführung einer Branntweinsteuer aufgeweicht. Die Bergleute mussten von nun an "freiwillig" in eine Knappschaftskasse zahlen. Diese Kassen wurden am Rammelsberg in Goslar bereits 1260 erwähnt und gelten als Vorläufer der Sozialversicherung.
Neben diesen vielen Einschränkungen gab es aber auch eine gewisse Fürsorgepflicht der Bergverwaltung wie "Herrenkorn" für Notzeiten, die Gründung erster Sozialkassen, praktische Unkündbarkeit und mitunter Zugeständnisse an die Wünsche der Bergarbeiter.
Durch die im Direktionsprinzip vorgesehene Einmischung in die unternehmerische Freiheit der Grubenbesitzer, erhielten die höheren Beamten immer größere Machtbefugnisse und besaßen schließlich auch immer mehr Anteile an den Gruben und waren natürlich auch an hohen Ausbeuten interessiert. Die Bergbeamten wurden so immer mächtiger. Andererseits waren die Bergbeamten sehr fachkompetent und erfindungsreich. Sie unterhielten bereits vor Jahrhunderten einen internationalen Wissensaustausch, denn das Wissen Harzer Bergleute war weltweit gefragt.
"Der Arme gewind es, der Reiche bekömpt es"
Die Bergarbeiter: privilegiert - stolz - arm
Im Verhältnis zu Menschen die nicht in den freien Bergstädten lebten, genossen die Oberharzer Bergleute als "herrschaftliche Arbeiter" enorme Privilegien. Sie waren nicht nur auf ihren Berufsstand stolz, sondern verteidigten Ihre Bergfreiheiten gegenüber den Bergbeamten.
Da diese Bergfreiheiten aber nicht als Kodex niedergeschrieben waren und somit nur einmal im 16.Jahrhundert verbreitet wurden, verwässerten die genauen Inhalte über die Jahrhunderte und wurden vom Bergamt (einseitig) interpretiert.
Die Löhne der Arbeiter wurden über Jahrhunderte kaum angehoben. Um das Auskommen der Familien zu sichern, mussten Zusatzschichten gefahren werden, so daß die Arbeitszeit auf 80 Stunden in der Woche anstieg. Dazu übten immer mehr Familien einen Nebenerwerb aus und stellten z.B. Werkzeuge oder betrieben wie in St. Andreasberg die weltberühmte Kanarienvogelzucht. Frauen verkauften mit ihren Kiepen Produkte im Vorharz oder halfen beim Kohlentransport.
Kinder ab einem Alter von 10 Jahren mussten als Pochknaben arbeiten, als Bergleute durften sie erst mit Zustimmung des Bergamtes arbeiten aber nicht in einem Alter von unter 14 Jahren. Proteste der Bergarbeiter gegen sich verschlechternden Sozialbedingungen hatten zunehmend weniger Erfolg, da man als Gegner nicht den Betriebsinhaber, sondern auch immer gleichzeitig den Staat herausforderte und dieser nicht zögerte, zu Waffengewalt und harten Repressalien zu greifen.
Ein "Staat im Staate"
Nach Verkündung der Bergfreiheiten zog es immer mehr Menschen in den Harz, so dass Clausthal und Zellerfeld Mitte des 18. Jahrhunderts mehr Einwohner hatten als die Landeshauptstadt Hannover oder die berühmte Universitätsstadt Göttingen. Um die schnell wachsende Bevölkerung zu ernähren, war eine straffe Organisation notwendig. Natürlich wollte der Staat auch möglichst schnell Gewinn erzielen und für Nachhaltigkeit im Bergbau sorgen. So etablierte der Landesherr eine Bergordnung und ein Bergamt, das das Leben im Oberharz streng hierarchisch bis ins Kleinste regelte.
An der Spitze des Bergamtes stand der Berghauptmann dem nicht nur die Entscheidungsbefugnisse über den Bergbau und das Forstwesen oblagen, sondern der auch oberster Verwaltungsherr war und sogar für die Rechtsprechung zuständig war.
Zu den Bergfreiheiten gehörten auch Marktrechte. Faktisch erhielten die Bergstädte damit Rechte, die sie wie Städte privilegierten. Die Harzer Bergstädte waren im Gegensatz zu anderen freien Städten weder von Mauern noch Wallanlagen umgeben und symbolisierten auch auf diese Art Freiheit und Selbstbewusstsein.